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Podiumsdiskussion zum Leben in Gemeinschaft

Auf dem Podium diskutierten: (von links) Dr. Dorothee Buchholz-Schmalz, Pater Anton Rotzetter, Moderator Martin Volz-Neidlinger, Martin Fahrner, Schwester Dorothea Thomalla und Steffen Andreae.
Kabarettist Cornelius Bisinger steuerte Songs zum schwankenden Schiff ‚Ecclesia‘ und zur Ökumene bei.

Streitkultur und Beziehungspflege sind in jeder Gemeinschaft gefragt

Auf eine große Resonanz mit über 300 Besuchern stieß die Podiumsdiskussion zum Klosterjubiläum Heiligenbronn am 14. September. Zum Thema „Wieviel Gemeinschaft braucht der Mensch?“machte das zweistündige Rundgespräch viele Aspekte deutlich, die ein Leben in Gemeinschaft voraussetzen, von Fähigkeiten der Kommunikation bis zum Freiraum des Alleinseins. 

Die Veranstaltung von Marktplatz Kirche gemeinsam mit dem Kloster Heiligenbronn in Kooperation mit Volkshochschule und den Katholischen und Evangelischen Bildungswerken war aber auch geprägt von einer stilvollen, gemütlichen Atmosphäre im Elisabetha-Glöckler-Saal der Stiftung St. Franziskus. Die Besucher erhielten von der Wohngruppe Marienberg kleine Fischchen, die symbolhaft wie in der „Swimmy“-Geschichte zum Riesenfisch vereinigt wurden, und zur Erinnerung auch ein Holzfischchen mit nach Hause. Im Saal war ein Marktstand aufgebaut, an dem Schwestern Heiligenbronner Produkte anboten, aber auch Bücher der Podiumsteilnehmer Pater Rotzetter und Steffen Andreae. Das Publikum saß in Gesprächsgruppen im Saal, soweit nicht aufgrund des Andrangs zusätzlich gestuhlt werden musste.
Die Podiumsbühne mitten im Saal brachte die Gesprächspartner den Zuhörern ganz nahe. Zum Einstieg überraschte zunächst der Kabarettist Cornelius Bisinger das gespannte Publikum mit einem Plädoyer für die „Tugend der Einseitigkeit“ auf dem schwankenen Schiff und sang das Lied „Wir sind das Schiff Ecclesia“.

Äußerst konzentriert verfolgten die Besucher dann ein abwechslungsreiches Podiumsgespräch unter der einfühlsamen Moderation von Diplom-Theologe Martin Volz-Neidlinger, Leiter der Stiftungs-Altenhilfe. Zur Frage des Abends machte er deutlich, dass es stets um die persönliche Antwort gehe: Wieviel Gemeinschaft brauche ich? Was die Gäste auf dem Podium dabei für Antworten leben und gelebt haben, was für Erfahrungen sie machten und für Schlüsse zogen, verfolgte das Publikum fast mucksmäuschenstill. 

„Was ich bin, bin ich durch andere“
Einen Einblick ins Innere ihrer Ordensgemeinschaften boten der Kapuzinerpater Dr. Anton Rotzetter aus der Schweiz und Schwester Dorothea Thomalla aus Heiligenbronn, die deutlich machten, dass auch die Gemeinschaft der steten Pflege bedarf, in ihr aber der Einzelne auch wächst. „Alles, was ich bin, bin ich durch andere geworden“, behauptete Pater Rotzetter. Der Mensch finde nur zu sich in der Gestalt der Beziehung, ohne in ein „existentielles Loch“ zu fallen. Es brauche aber auch die Einsamkeit im positiven Sinn, das tägliche „unverzweckte Dasein“, das er meditierend  täglich zweieinhalb Stunden praktiziere.

Auch im Kloster sei Streitkultur und Beziehungspflege gefragt, unterstrichen Rotzetter und Schwester Dorothea. Zur Gemeinschaft, sagte die Franziskanerin, gehöre auch die Bereitschaft dazuzulernen, „mich zu ändern, zu wachsen, mich verändern zu lassen“. 24 Jahre in der Schwesterngemeinschaft, resümierte sie, hätten sie zu größerer innerer Freiheit geführt, zu menschlichem und geistlichem Wachsen. „Den andern als andern gelten zu lassen, ist eine ganz ungeheure Aufgabe“, meinte Pater Rotzetter.

„Den Nächsten lieben wie sich selbst“
Direktor Martin Fahrner vom Wilhelmsstift in Tübingen steuerte die Ansätze zur Gemeinschaft in der Priesterausbildung bei sowie den theologischen Aspekt, dass Kirche ohne Gemeinschaft nicht denkbar wäre, wie es schon der Aufruf zur Nächstenliebe zeige. Das Jesus-Wort „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ deute schon auf die Grundspannung hin, dass es nicht um Selbstaufgabe gehe. Er verstehe Gemeinschaft als Prozess und ständiges Ausbalancieren.   Weggemeinschaften für Priester
Die Gottesdienst-Gemeinschaft der Kirche mache die Sehnsucht nach mehr, nach Gott deutlich. Die Priester würden auf das Gemeindeleben vorbereitet, in dem sie in Gefahr seien, zu Einzelkämpfern zu werden. Hier könnte die Bildung von priesterlichen Weggemeinschaften eine Stütze sein.

„Kinder zu anderen Gemeinschaften befähigen“
Psychotherapeutin und Familienmutter Dr. Dorothee Buchholz-Schmalz brachte die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen ins Spiel, aber auch die Rolle von ehelicher Partnerschaft. „Die Dosis macht’s“, meinte die Medizinerin zur gelungenen Partnerschaft, die richtige Mischung zwischen Nähe und Distanz. Mit Kindern lebe man noch in einer anderen Art von Gemeinschaft, in der noch besondere Rücksichtnahme notwendig sei. Kinder müssten aber auch aus der Gemeinschaft der Familie herauserzogen werden, für andere Gemeinschaften fähig werden. Am „Familienfest“ Weihnachten zeige sich oft die eigene Einsamkeit, die dann oft bitter spürbar werde.

Auf besonderes Interesse auch bei den anderen Podiumsteilnehmern stießen die Erfahrungen von Steffen Andreae aus seiner politischen Kommune, aus denen sich manche Querverbindungen zum Ordensleben ergaben. Seine Motivation für diese Gemeinschaft liege darin, unsere Gesellschaft zu ändern und einen anderen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu erreichen. Aus der Tatsache heraus, dass in seiner Gemeinschaft gemeinsame Kasse gemacht werde, ergeben sich die ständige Notwendigkeit, die persönlichen Bedürfnisse zu diskutieren, was auch Verzicht mit sich bringe, wobei das Leben in einer Gemeinschaft letztlich mehr Gewinn als Verzicht bedeute. Die Gemeinschaft brauche Mensche, „die bereit sind, einen Teil ihrer Energie in die Gemeinschaft zu stecken, vor allem in die Kommunikation“.

Gemeinsam diskutiert wurde die Frage der Altersversorgung in den verschiedenen Gemeinschaften und der Altersgrenzen für die Aufnahme in die Gemeinschaft. Steffen Andreae gab zu bedenken, dass ein Leben in Gemeinschaft nicht erst mit 65 Jahren gelernt werden könne. Es sei eine Frage an die Gesellschaft, wie man Gemeinschaftsfähigkeit lernen könne. 

„Von der Freiheit zur Verbindlichkeit“
Die Verbindlichkeit eines Eintritts wurde ebenfalls angesprochen. Pater Rotzetter forderte hier, nach der Emanzipation in die individuelle Freiheit nun als zweiten Schritt wieder Verbindlichkeit und Sinn zu finden.

Fragen aus dem Publikum galten der Erledigung von Hausarbeit und der Zukunft der Gemeinschaften, wobei deutlich wurde, dass auch die Orden auf der Suche nach neuen Formen sind. Gefragt ist aber allgemein die Teilhabe an der Spiritualität der Gemeinschaften. Auch Steffen Andreae berichtete von einem großen Interesse Außenstehender an seiner politischen Gemeinschaft bis hin zur „Besichtigung einer Kommune“ durch Schulklassen. Auch auf seiner Wanderung nach Spanien, bei der er 14 alternative Gemeinschaften besuchte, auch christliche, habe er erfahren, dass im Grunde genommen alle an einem Strang ziehen würden.

Natürlich blieben viele Fragen unbeantwortet. Das Kloster hat jedoch auf seiner Webseite eigens ein Forum eingerichtet, auf dem die Diskussion fortgeführt wird. Die Podiumsgäste nehmen daran teil und können auch direkt angefragt werden. Aus Sicherheitsgründen muss sich erst registrieren lassen, wer sich mit einem Beitrag oder einer Frage beteiligen möchte. Adresse www.kloster-heiligenbronn.de – Stichwort „Forum“.

Ewald Graf

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