Einen Blick in die Zukunft der sozialen Dienstleistungen mit ihren Herausforderungen und Ambitionen warf der Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, Professor Dr. Georg Cremer, bei seinem Vortrag am 23. Mlrz im Elisabetha-Glöckler-Saal in Heiligenbronn.
Die Veranstaltung von Marktplatz Kirche gemeinsam mit Stiftung St. Franziskus, Kloster Heiligenbronn und Frauenbeirat im Rahmen des Klosterjubiläums wurde von Stiftungs-Vorstand Norbert Rapp eröffnet, der den Referenten zu seinen Aufgaben und seinem Werdegang interviewte.
Cremer, zum zweiten Mal als Generalsekretär gewählt, betonte, dass die Caritas kein Konzern sei („Ich bin kein Caritas-Mehdorn“), sondern in viele rechtlich selbständige Gliederungen unterteilt ist. Beifall bekam er für seine Ankündigung, anstelle eines Honorars die Behindertenarbeit im Kosovo mit einer Spende zu unterstützen, weil dort auch das Förderzentrum Hören und Sprechen Heiligenbronn mit dem Lehrerehepaar Neudeck engagiert sei.
Zu den teils widersprüchlichen Rollen der Caritas als Anwalt der Hilfebedürftigen und als wirtschaftlich agierender großer sozialer Dienstleister referierte Cremer auf anschauliche Weise und verdeutlichte die Positionen von Caritas und anderen Wohlfahrtsverbänden. Die Konkurrenz mit privatgewerblichen Trägern habe diese vor eine neue Situation gestellt, die es zu meistern gelte. Den Wettbewerb schilderte Cremer als Ansporn, die Interessen der hilfeberechtigten Menschen besser wahrzunehmen und aufzugreifen. Die Konkurrenzsituation in den Kindergärten habe so dazu geführt, dass elternfreundlichere Öffnungszeiten eingeführt wurden.
Die Rolle als Anwalt, forderte der Caritas-Generalsekretär und Volkswirtschaftler, müsse aber auch Auswirkungen darauf haben, wie die Caritas als Dienstleister agiere und umgekehrt. So sei zu fragen, ob Solidaritätspotentiale in der Gesellschaft auch gefördert würden. Interessenkonflikte seien aber auch eine politische Herausforderung, wie er am Beispiel der illegalen Arbeitskräfte aus Osteuropa, die ambulante pflegerische Dienste übernehmen, aufzeigte.
„Märkte dulden es langfristig nicht, die Interessen der Hilfebedürftigen zu ignorieren“, betonte Cremer. Doch soziale Dienste seien besondere Märkte, die staatliche Rahmenbedingungen bräuchten zur Qualitätssicherung. Man könne ja nicht sich zur Probe operieren lassen, um das ausgewählte Krankenhaus zu testen. Ziel müsse es trotzdem sein, dass Hilfeberechtigte autonome Entscheidungen treffen könnten.
Bei der Finanzierung sei das sozialrechtliche Dreiecksverhältnis massiv in Gefahr, warnte Cremer und wehrte sich gegen einen Ausschreibungswettbewerb, sprach sich vielmehr für eine Vielfalt der freien Träger aus, die nicht einfach nur Auftragnehmer des Staates seien, auch wenn es dann keine Belegungsgarantien gebe. Man müsse dann vielmehr durch „qualitativ gute Dienste“ überzeugen. Eine besondere Verantwortung der Caritas sah Cremer bei den Diensten für soziale Randgruppen wie den Beratungsangeboten, die erhalten werden müssten, auch wenn sie oft ungenügend finanziert seien. Aber als Wohlfahrtsverband der Kirche könne man sich hier nicht aus wirtschaftlichen Gründen zurückziehen – „ansonsten müßten wir den Anspruch aufgeben, der Wohlfahrtsverband der Kirche zu sein“.
Die vielen Aspekte des Vortrags wurden mit einigen Fragen aus dem Publikum nochmals vertieft, bevor die rund 100 Besucher beim lockeren „Marktplatz“-Gespräch, von den Schwestern bewirtet, sich untereinander weiter austauschten und sich auch ins Gästebuch von Kloster und Stiftung eintrugen.
Ewald Graf